Foto: Wolf Sondermann, (C) Urbane Nachbarschaft BOB gGmbH

Foto: Wolf Sondermann, (C) Urbane Nachbarschaft BOB gGmbH

Brasilien im BOB CAMPUS Projektbüro

Die Quartiere Oberbarmen und Wichlinghausen, die sich rund um den BOB Campus erstrecken, gelten als Inspiration und Ankerpunkt des zukünftigen BOB Campus. Diese diversen Quartiere definieren sich nicht bloß durch eine enorme Vielfalt an Menschen aus allen Teilen der Welt, sondern auch durch die Geschichten jedes einzelnen Bewohners. Im Rahmen des Veranstaltungsformats „Kulturabende der BOB Botschafter*innen“ werden diese ganz individuellen und facettenreichen Geschichten in den Mittelpunkt gestellt. Hier ist Platz für persönliche Anekdoten, musikalische Einlagen oder eben eine Einladung, gemeinsam eine virtuelle Rundreise durch das eigene Heimatland, dessen Kultur und Bewohnerinnen zu wagen.

So auch am vergangenen Freitagabend, den 7. Februar 2020. Unter dem Veranstaltungstitel „BOB Botschafter*innen – brasilianischer Kulturabend“ nimmt die BOB Botschafterin Suilian Richon die Besucher mit auf eine Rundreise durch die Geschichte, die Landschaft und die Kultur Brasiliens. Die gebürtige Brasilianerin ist mit dieser Kultur groß geworden, bis sie vor einigen Jahren über Frankreich nach Europa kam, und nun seit einiger Zeit in Deutschland lebt. Inzwischen arbeitet sie als freischaffende Fotografin und unterstützt die Nachbarschaftsprojekte im Quartier so weit sie kann. Ihr ganz persönliches Anliegen ist es, neben dem Aufzeigen der Einzigartigkeit Brasiliens, auch bestehende Vorurteile aufzubrechen und mit Neugierde zu füllen.

Diesen Abend lassen sich die Quartiersbewohner nicht entgehen. Nach und nach füllen sich die Räumlichkeiten des BOB Campus Projektsbüros, während im Hintergrund „Girl form Ipanema“ erklingt. Hier trifft groß auf klein, alt auf jung und bekannt und unbekannt – schnell sind alle Stühle besetzt. Nach einer herzlichen Begrüßung durch Suilian und Robert, beginnt die Veranstaltung mit einer spektakulären Vorführung. Bruno und Jejeco betreten den Raum und bringen mitsamt ihrer traditionellen Musikinstrumente und ihrer Stimme das Publikum zum mit klatschen und -singen. Kurz darauf beginnen die beiden mit einer Capoeira Tanzeinlage. Akrobatisch schwingen sich die Tänzer im Rhythmus über den Boden und durch die Luft des Projektbüros. Der Boden bebt, wenn sie nach einem Salto auf den Holzdielen landen. Unter Applaus verlassen sie die Räumlichkeiten und machen Platz für Suilians Präsentation. Es folgt eine Reise durch die Landschaft und Geschichte Brasiliens. Der fünftgrößte Staat der Erde bietet eine unheimliche Varietät. Zwischen atemberaubenden Eisenbahnstrecken, Hochebenen, Höhlen mit kristallblauem Wasser und wüstenähnlichen Dünen leben verschiedenste Menschen. Das bevölkerungsreichste Land Südamerikas wurde stark durch die Kolonialisierung geprägt. Als Schmelztiegel verschiedenster Kulturen versteht sich Brasilien, laut Suilian, vielmehr als Volk und weniger als Nation. Über das Land verteilt leben hunderte von indigenen Völkern neben ehemaligen Migranten aus den Niederlanden, Italien, Syrien, Japan, Schweiz und auch aus Deutschland. Gemeinsam erschaffen sie eine multikulturell-neuartige Kultur, die ganz und gar nicht auf das vorherrschende Bild Brasiliens reduziert werden kann. Die Bilder, die Suilian zeigt, lösen Staunen in den Besuchern aus. Immer wieder wird nachgefragt, ob wir uns tatsächlich noch in Brasilien befinden. Nach rund einer Stunde wird die Veranstaltung für eine Pause unterbrochen

„Das ist auch Brasilien, versprochen.“ – Suilian Richon, Initiatorin des Abends

Die Pause wird genutzt, um sich die Beine zu vertreten und alte Bekannte zu grüßen. Schnell versinken Besucher bei Kaffee und traditionellen brasilianischen Getränken in entspannten Gesprächen. Im Hintergrund klingen Bossa-Nova Gitarrenklänge und schließt man die Augen, so würde man sich kaum vorstellen können, dass man gerade nicht in einem Café in Brasilien sitzt. Hier treffen Menschen aufeinander, die auf unterschwellige Art und Weise voneinander und übereinander lernen.

Nachdem sich alle Besucherinnen aus ihren Gesprächen gelöst und wieder Platz genommen haben, beginnt Suilian mit dem zweiten Teil der Veranstaltung, der sich explizit mit der aktiven Kunst- und Kulturszene Brasiliens auseinandersetzt. Auch in diesen Teilbereichen hat das Land enorm viel vorzuzeigen. Durch die unterschiedlichen Kulturen, die im Laufe der Zeit die Kultur Brasiliens prägten, staunen die Besucher über brasilianische Barockgebäude, skurrile Steinplastiken, filigrane Malereien und traditionelle Feste. Des Weiteren stellt Suilian verschiedene Persönlichkeiten vor, die sie selbst für ihre Arbeit und ihr Tun bewundert. So zum Beispiel „Glorinha“. Diese alte Dame hat es sich zum Lebensziel gemacht Kinder zu retten. Ihr Leben lang suchte sie nach Kindern die ausgesetzt wurden. Am Ende ihres Lebens sind es ca. 2500 Kinder, denen sie dadurch das Leben rettet – 30 von ihnen adoptierte sie selbst. Als Suilian Glorinhas Familienporträt präsentiert, geht Bewunderung durch den Raum. Aber auch in der Welt der Gedichte hat Brasilien einiges vorzuweisen. Mit Unterstützung von Miriam, die die Texte simultan übersetzt, trägt Suilian zwei ihrer Lieblingsprosatexte vor, die das Publikum klatschen lassen.

„Das war echt ein schöner Abend. Ich habe eine Menge gelernt, lecker gegessen und bin froh, dass so etwas hier nun möglich ist!“ – eine Besucherin der Veranstaltung

Zum Abschluss der Veranstaltung bitte Suilian alle Besucher, aufzustehen und gemeinsam einen Kreis zu bilden. Man nimmt die Hände der Nachbarin und gemeinsam machen alle einen symbolischen Schritt aufeinander zu. Ein schöner Abschluss mit Wirkungskraft. Danach enthüllt ein Vorhang Jonivon Freitas, der den Abend bei Bossa-Nova Gitarrenklängen langsam aber stilecht ausklingen lässt. Die Besucher bedienen sich am typisch brasilianischen Buffet, das in der benachbarten Küche von Sivan während der Veranstaltung zubereitet wurde. Man tauscht sich über die neuen Erkenntnisse aus, neue Bekanntschaften werden geschlossen und einige lauschen weiter den einfühlsamen Gitarrenklängen. Die nachbarschaftliche Atmosphäre ist aufgeschlossen und interessiert, fast ein wenig familiär. Bei der Wärme, die an diesem Abend in den Projekträumen des BOB Campus herrscht, fällt es vielen schwer, in die kalte Wuppertaler Nacht zurückzukehren. Ein Abend voller neuer Erkenntnisse und nachbarschaftlicher Gemeinschaft geht damit vorbei.

Text: Max-Mosche Kohlstadt
Fotos: Maher Rajhi und Wolf Sondermann
MUITO OBRIGADO!

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